Früher sind wir uns öfter begegnet. Ist zumindest mein persönlicher Eindruck. Überraschte er mich einst regelmässig, macht er sich seit einer Weile immer rarer: Der Regen. Umso mehr freut es mich, wenn er uns nach tagelanger Trockenheit mal wieder mit seiner Frische beglückt zwei zuletzt seit gut einer Woche immer mal wieder.
Trotzdem, so scheint es, sei er nicht mehr so frisch und erquickend wie einst, der gute Regen. Womöglich nicht so doll gelaunt… Dabei hat das meist kühle, bisweilen auch laue Nass so manche etwa zu grossen Songs inspiriert: Jermaine Jackson und Pia Zadoras «When the rain begins to fall» ist Kult; Michael W. Smith hat den «Healing rain» besungen und in die Zeile «I bless the rains down in Africa» von Toto hat sich tief in das kollektive Pop-Gedächtnis einer ganzen Generation eingeprägt.
Selbst der grosse Johann Wolfgang von Goethe schrieb 1779, inspiriert vom Staubbachfall in Lauterbrunnen, in seinem «Gesang der Geister über den Wassern» folgende Passage: «Des Menschen Seele Gleicht dem Wasser: Vom Himmel kommt es, Zum Himmel steigt es, Und wieder nieder Zur Erde muss es, Ewig wechselnd.»
Vielleicht macht sich der Regen auch rar, weil sein Image in der Öffentlichkeit nicht mehr das beste ist: Landauf landab stimmen Moderatorinnen, Moderatoren und Wetterfrösche in elektronischen Medien unisono ins grosse Lamento ein, wenn ein paar Regentage in Aussicht sind. Die Folge: Bands wie die zu ihrer Zeit wunderbaren Männer am Meer schreiben Songs wie «Rägetage», in denen sie klagen «I ma se scho di Rägetage, s wird nid besser we me weis dases witer äne haglet» und Kuno Lauener noch einen obendrauf setzen lassen, der dann trällert: «So lang de luegsch wis rägnet, so lang rägnets o.» Die Message ist klar: Gut geht’s nur ohne Regen.
Dabei tun all die Jammeris dem Regen schwer unrecht. Regen ist die am häufigsten auftretende Form flüssigen Niederschlags aus Wolken und trägt dazu bei, den Wasserkreislauf zu schliessen, der für das Leben auf der Erde ein entscheidender Faktor ist. So formulieren es zumindest die Autoren in der Online-Enzyklopädie Wikipedia.
Deshalb gniesse ich jeden dieser Tage, an denen ich den Regen antreffe. Niemand rauscht, plätschert, giesst schöner und melodiöser; niemand macht die Fruchtbarkeit unserer Erde - gerade in unseren Breitengraden und um diese Jahreszeit - schöner sichtbar; niemand wäscht die Luft besser von Staub, Pollen und sonstigen Partikel.
Ausbleibender Regen führt langfristig zu Dürre und somit zu einer Veränderung des lokalen Klimas, was ebenso Veränderungen bei Fauna und Flora hervorrufen kann - womit wir letztlich wieder bei meinem Lieblings-Thema landen: Der Kommunikation. Die Art und Weise, wie der Regen namentlich medial und in den unsäglichen Meteo-Shows verteufelt wird (wer sagt, dass Regen “schlechtes Wetter” ist???), ist für mich schlicht unerträglich. Verantwortungsvolle Kommunikation würde bedeuten, den Leuten zu vermitteln, wie wichtig Regen für unsere Existenz ist - und ihn wenn schon nicht positiv, so doch wenigstens wertneutral darzustellen.
Erstmals publiziert am 7. Mai 2019 im Thuner Tagblatt.
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