Das ist die (fiktive, aber doch allzu alltägliche) Geschichte eines Familienbetriebs, der Werbung im Wert von tausenden Franken verschenkt. Weil die Familie zu spät an die Zeitung
dachte.
Bild: www.linde-gartenbau.ch
Maria und Hans Gerber betreiben ihre Gärtnerei in zweiter Generation. 32 Jahre nachdem sie das Geschäft von Hans´ Eltern übernommen haben, ist die Zeit reif, das Unternehmen in jüngere Hände zu überngeben. Tochter Julia hat sich nach einem BWL-Studium auf dem zweiten Bildungsweg als Landschaftsgärtnerin ausbilden lassen und soll nun den Betrieb übernehmen.
Dass die Tochter bereits über profundes betriebswirtschaftliches Wissen verfügt, aber auch das handwerkliche Geschick von der Pike auf erlernt hat, ist ein Glücksfall für das Unternehmen, das neben der Besitzerfamilie ein halbes Dutzend Angestellte hat. Weniger als drei Monate vergehen zwischen dem Tag, an dem die Eltern der Tochter eröffnet haben, dass sie sich aus dem Tagesgeschäft zurückziehen wollen und dem Tag, an dem sie ihre lange ersehnte dreimonatige Rundreise mit dem Camper durch ganz Europa antreten.
Das Fest fürs ganze Dorf
Damit Kundinnen und Kunden - eigentlich am liebsten das ganze Dorf - Julia einen guten Start und den Eltern eine gute Reise wünschen können, laden Gerbers zum grossen Fest im Werkhof der Gärtnerei. Als Julia am Donnerstag vor dem grossen Tag beim Getränkehändler den Kühlwagen abholt, flachst dieser: «Stell ihn dann so, dass man mein Logo gut sieht, wenn der Reporter vom ‹Untertaler Boten› ein Foto für die Zeitung macht.» Julia zuckt zusammen: «Ein Bericht in der Zeitung?» Daran hatte niemand in der Familie gedacht.
So, wie der frei erfundenen Familie Gerber geht es nicht nur vielen Firmeninhaberinnen oder -inhabern oder Verantwortlichen von Vereinen, wenn sie etwas planen: Zuerst ist die Idee. Für ein Produkt, eine Show, eine neue Entwicklung. Überall machen sich Menschen Gedanken zu Neuigkeiten und überlegen sich, wie ein Produkt oder eine Organisation weiterentwickelt werden kann. Da werden Wege ausgetüftelt, neue Mitglieder zu finden, es werden Pläne ausgeheckt, um die Aufmerksamkeit ganz allgemein zu erhöhen, es stehen Generationenwechsel an.
Warum die Medien vergessen gehen
Gemeinsam ist all diesen Dingen, dass sie enorm facettenreich sind. Im Fall der Familie Gerber bestand die grösste Herausforderung darin, das Wissen, dass Mutter Maria und Vater Hans sich über die Jahre angeeignet haben, so verfügbar zu machen, dass Julia es greifbar hat, während die Eltern die Schönheiten des Kontinents bestaunen. Sprich: Raus aus den Köpfen, rauf auf Papier. Oder wenigstens in den Computer.
Kundenkontakte, spezielle Vereinbarungen, Eigenheiten von Pflanzen, Materialien, Grundstücken - alles musste für die junge Firmeninhaberin verfügbar gemacht werden. Und dann natürlich das Fest. Als Gärtnerfamilie, die sich mit Pflanzen, Untergründen, Pflanz- und Pflege-Zyklen auskennt, standen Gerbers vor der Herausforderung, die richtigen Mengen von Essen und Trinken abzuschätzen, etwas Musik und das technische Equipment dafür zu organisieren, Personal, das den Laden schmeisst, und so weiter und so fort. Es gab so vieles zu erledigen, um die Firmenübergabe und das Fest sauber auf die Beine zu bringen, dass schlicht niemand daran gedacht hatte, eine Pressemitteilung oder einen Medientext für die Redaktion der Zeitung zu verfassen.
Selber schreiben?
Noch bevor sie beim Getränkehändler weg fuhr, rief Julia auf der Redaktion des «Untertaler Boten» an – um umgehend enttäuscht zu hören, dass die Einladung «durchaus interessant» gewesen wäre, aber mit weniger als zwei Tagen Vorlauf zu kurzfristig komme. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien am Wochenende bereits für Reportagen und Berichterstattungen im Einsatz. Aber Julia dürfe gerne selber einen Pressetext von rund 1500 Zeichen Länge plus ein Foto einreichen bis Sonntagmittag. Dann finde eine kurze Meldung sicher noch Platz bis Mitte Woche.
«Selber schreiben? Ohne mich», war für Julia sofort klar. Oft genug hatte sie im Studium ihre Arbeiten von Kolleginnen und Kollegen ausformulieren lassen, weil schreiben nicht zu ihren Stärken gehört.
(Verschlafene) Zeit ist (verlorenes) Geld
Die Geschichte der Familie Gerber zeigt: Hätten sie von Anfang an daran gedacht, die Firmenübergabe und ihr Fest über einen Pressetext an die Medien zu kommunizieren, wären sie nicht zu spät gekommen - und die Redaktion hätte mit ziemlicher Sicherheit eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter geschickt, mit dem Auftrag, einen umfangreichen Bericht mit Foto zu verfassen. Anders formuliert: Gerbers haben eine halbe Zeitungsseite Gratiswerbung für ihren Betrieb im Wert von mehreren tausend Franken leichtfertig verschenkt.
Deshalb gehört die Frage nach der Kommunikation in den klassischen Medien Zeitung, Radio oder TV vom ersten Tag an als integraler Bestandteil in die Vorbereitung, Konzeption und Planung eines Anlasses. Einerseits lassen sich gerade in Sozialen Medien erste Häppchen von Presstexten oder Medienmitteilungen im Lauf eines Planungsprozesses erstklassig nutzen.
Andererseits wollen die klassischen Medien rechtzeitig bedient sein. Und wer das alles zum ersten Mal macht, der oder die vielleicht nicht einfach in einem halben Tag einen 2500-Zeichen-Text aus dem Ärmel schüttelt und dann auch noch einen Medienverteiler erstellt und Redaktionen telefonisch abklappert, der oder die tut gut daran, mit all dem frühzeitig loszulegen.
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