«Die Begabung eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt, den alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Gelassenheit zu begegnen.» Das ist Humor - zumindest nach der Art, wie ihn die Online-Enzyklopädie Wikipedia beschreibt. Wenn wir von «Unzulänglichkeit der Welt» reden, stellt sich nun die Frage, ob es folglich im Wesen des Humors liegt, dass er uns mehr und mehr abhanden zu kommen scheint.
Wie ich darauf komme, dass uns der Humor abhanden kommt? Ich bewege mich oft in sozialen Medien, beschäftige mich beruflich und privat oft mit IT-Fragen - und ich bin im Strassenverkehr unterwegs. Allein diese drei Welten gaukeln uns vor, immer perfekter, kontrollierbarer und planbarer zu werden. Dabei führen sie mir in Tat und Wahrheit jedes Mal von neuem meine eigene Unzulänglichkeit vor Augen.
Hätte ich alle elektronischen Geräte auch tatsächlich wutentbrannt aus dem Fenster geworfen, als mir danach war, sässe ich als Umweltsünder hinter Gittern. Wenn ich unsere Tochter im Kindergartenalter bisweilen leicht entsetzt frage, woher ihr nicht immer ganzs kindergartentaugliches Vokabular komme, stellte sich auch schon heraus, dass meine Äusserungen zu den Fahrkünsten anderer Verkehrsteilnehmer als Inspiration dienten…
Item: Wenn Humor nun eben nicht die Begabung ist, der eigenen Unzulänglichkeit mit heiterer Gelassenheit zu begegnen, sondern jener der Welt, dann dürften wir - zumindest in unserer westlich-technologisierten Wohlfühl-Gesellschaft - in der Tat über lang oder kurz ein Problem kriegen. Schliesslich zielt all unser gesellschaftliches und technisches Streben darauf hin, die Unzulänglichkeiten der Welt und ihre alltäglichen Schwierigkeiten so weit wie möglich zu eliminieren.
Smarte Autos sollen uns um den Stau navigieren und drohende heikle Situationen so früh erkennen, dass es nicht zur Schimpftirade kommt. Soziale Medien werden von Algorithmen soweit auf unsere Wohlfühl-Oase zugeschnitten, dass wir uns nicht mehr aufregen müssen ob anderer Meinungen - und die IT, die soll sich dereinst sowieso am besten selber organisieren.
Ich wünsche mir, dass uns ob all diesem Streben nach Perfektion nicht eines Tages das Lachen vergeht - und sei es, dass wir wenigstens mal wieder in Beherzigung des alten Sprichworts «Schadenfreude ist die schönste Freude» wegen einer dieser Unzulänglichkeiten in unserer glücklicherweise alles andere als perfekten Welt so richtig losprusten können.
Erstmals publiziert am 2. März 2019 als "Kopfsalat" im Thuner Tagblatt. Bild: livescience
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