Mehr Vereine, weniger Platz in den Zeitungen?

Warum ist es immer schwieriger, mit einem Verein, Event oder KMU in die Medien zu kommen? Wer das verstehen will, muss zurückblicken. Und zwei Punkte beachten.

Wer erfahren will, wie Zeitungen früher ausgesehen haben, schaut mal bei den www.e-newspaperarchives.ch rein. Zahlreiche Zeitungs-Titel können für die Zeit zwischen dem 18. Jahrhundert und den 1990er-Jahren durchforstet werden. Was rasch auffällt: Früher widmeten die Redaktionen der meisten Verlagshäuser Vereinen und ihren Mitteilungen zu Anlässen oder Versammlungen, aber auch Geschäfts-Infos über Eröffnungen, Übergaben etc. viel mehr Platz. Was heutigen Medienkonsumentinnen und -konsumenten als Anachronismus erscheint, lässt Vertreterinnen und Vertreter von Vereinen, Geschäftsinhaberinnen und -inhaber oder Veranstalterinnen und Veranstalter wehmütig zurückblicken. Denn: Auch heute noch ersetzt in der Wahrnehmung der Menschen kein erfolgreicher Facebook-Post einen Bericht in der Zeitung oder einen Beitrag im Lokalradio oder Lokalfernsehen. Ganz zu schweigen von der grossen Masse der nicht erfolgreichen Posts in Social Media, welche praktsich ungesehen untergehen…

 

 

Wer verstehen will, wie es dazu kommen konnte, dass Pressetexte oder Medienmitteilungen von Vereinen und Gewerbe in heutigen Medien – egal, ob Zeitung, TV oder Radio – immer weniger Raum finden, kommt nicht umhin, sich mit der Geschichte der Medien zu befassen.

 

Am Anfang war die Zeitung

Zunächst waren da die gedruckten Zeitungen, die in ihren Anfängen vor allem eines waren: Anzeiger, mit der Aufgabe, den Menschen anzuzeigen, was in ihrer Umgebung alles läuft. Keine Kommentare, keine Einordnung, keine Wertung. In einer Schweiz mit 2.4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern im Jahr 1850 war klar, dass die Ruf des grössten Vereins in einer Stadt, der zu seiner jährlichen Versammlung rief, weitum gehört werden wollte und sollte.

 

Heute, mit knapp 8,9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, ist das ungleich schwieriger. Allein 2 Millionen Menschen sind in 19´000 Sportvereinen organisiert und engagiert. Hinzu kommen kulturelle und andere gesellschaftliche Organisationen, schulische und familiäre Angebote. Und damit haben wir den ganzen kommerziellen Bereich, der ebenfalls in die Medien drängt, immer noch ausgeklammert.

 

Mit dem Aufkommen des Radios in den 1920er-Jahren fing die Transformation der Zeitungen an. Das schnelle Informieren wurde zum Steckenpferd des Rundfunks, Zeitungen fingen an, veremehrt zu kommentieren und einzuordnen. Es waren die Anfänge die Parteizeitungen, welche die Welt im den Farben ihrer jeweiligen Ideologie zu malen begannen.

 

Video killed...

Als sich das Fernsehen ab den 1950er-Jahren zum Massenmedium entwickelte, wurde auch das Bild zum integralen Bestandteil der Berichterstattung in einer Zeitung. Es fing an, Raum einzunehmen, welcher vorher ausschliesslich dem Wort vorbehalten war. Mehr Bilder = weniger Platz für Text. Weniger Platz für Text = weniger Platz für Meldungen. Zum Beispiel über Vereine oder Geschäfte.

 

Weil aber die Zeitung neben den meist staatlichen TV- und Radiostationen lange Zeit der wichtigste Werbekanal war, auf welchem Hersteller und Händler ihre Kundschaft erreichen konnten, konnten die Verlagshäuser mit den Werbeeinnahmen journalistisches Wirken grosszügig finanzieren. In den besten Zeiten steuerten die Leserinnen und Leser über Abo-Käufe weniger als ein Drittel der Einnahmen einer Zeitung bei. Der Rest kam aus der Werbung.

 

Als jedoch auch private Anbieter anfingen, Radio und TV zu machen, begannen auch sie, um Werbung zu Buhlen. Mit Bild und Ton hatten sie die Möglichkeit, viel direkter die Emotionen der Kundschaft anzusprechen.

 

Das böse Internet

Als das Internet in den 1990er-Jahren seinen Siegeszug antrat – und damit die Möglichkeit, Werbung nicht nur platzieren und emotional anreichern zu können, sondern auch zu prüfen, wer eine Anzeige angesehen und vielleicht sogar angeklickt hat, um ein Produkt zu kaufen – war das Ende des Geschäftsmodells der Verlagshäuser eingeläutet. Mit Suchmaschinen und Social Media, die genau wussten, was ihre Nutzerinnen im Netz suchten, was sie einkaufen, wo sie Ferien machen, mit wem sie verkehren, erodierten die Preise für Werbung weiter, während es gleichzeitig immer einfacher wurde, die Werbung nur noch jenen anzuzeigen, die auch tatsächlich mit grosser Wahrscheinlichkeit dafür empfänglich sind.

 

Die Folge: Zeitungshäuser mussten – und müssen – sparen. Weil weniger Werbung gebucht wird, steht weniger Geld für Journalistinnen und Journalisten zur Verfügung. Gleichzeitig werden die Zeitungen dünner, weil jede Seite, die nicht gestaltet, gedruckt und bis in die Briefkästen geliefert werden muss, gespartes Geld ist. Weniger Platz für Berichte und Reportagen in den Zeitungen, aber mehr Leute, mehr Vereine, mehr Geschäftsinhaberinnen und -inhaber, mehr Veranstalterinnen und Veranstalter, welche sich um den knappen Raum in den Medien streiten? Die logische Folge ist, dass der Auswahldruck auf den Redaktionen immer grösser wird.

 

Es braucht Personal

«Aber eine Online-Zeitung hat ja kein Platz-Problem», mag jetzt entgegnet werden. Soweit, so korrekt. Bloss lässt diese Feststellung ausser acht, dass auch Content, welcher für eine Webseite aufbereitet werden muss, in den allermeisten Fällen immer noch von Menschen journalistisch bearbeitet wird. Und solange das so ist, sind zwei Punkte für alle von zentraler Bedeutung, welche ihre Botschaft mit einer Pressemitteilung in einer Zeitung (oder einem Radio oder TV) platzieren wollen: Sie müssen inhaltlich aus der Masse der Informationen herausstechen. Und die Information muss so aufbereitet sein, dass die Journalistinnen und Journalisten möglichst wenig Arbeit damit haben.

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